Ein zentrales Element der Ausstellung sind partizipatorische und ortspezifische Auftragsarbeiten an Kristallisationspunkten des Berliner Strafvollzugs. Judith Siegmund beschäftigt sich mit dem Neubau der JVA Heidering 20 km südlich von Berlin in Großbeeren. In ihrer dokumentarischen Arbeit hinterfragt sie die Auslagerung von Haftanstalten an den Rand der Gesellschaft. In der JVA Moabit, dem Untersuchungsgefängnis Berlins, arbeitet Katharina Heilein mit einer Gruppe von Inhaftierten zu der englischen Fernsehserie „The Prisoner“. Ein Transport zwischen der NGBK und der JVA Moabit wird von Nadin Reschke mit Inhaftierten, ehemaligen Inhaftierten und Justizvollzugsbeamten realisiert und vermittelt inhaltlich und symbolisch zwischen dem „Kunstort“ NGBK und der „Realität“ Gefängnis.
Judith Siegmund
Auslagern oder Wie baut man ein Gefängnis?
2009, Videos: 11 min; 27 min.; 17 min
In Großbeeren, 20 km südlich des Berliner Zentrums, hat 2009 der Bau eines neuen Großgefängnisses in der Peripherie begonnen. In der Videoinstallation setzt sich Judith Siegmund mit der geplanten JVA Heidering auseinander. Indem sich die Künstlerin vor der Kamera körperlich und gedanklich dem Baustellengelände nähert, langsam in sein Inneres vordringt, provoziert sie Vorstellungen und Fragen der Zuschauer zum Gefängnisbau. Die Video-Performance beginnt in einem journalistischen informierenden Stil, in seinem Verlauf verlässt die Künstlerin die berichtende Position und begibt sich in die Rollen verschiedener Menschen, die im Gefängnis leben und arbeiten. Ergänzend werden in zwei dokumentarischen Videos Bilder des Ortes und seiner Geschichte gezeigt und zwei Interviews über die Konzeption der JVA Heidering geführt.
Judith Siegmund
Auslagern, oder Wie baut man ein Gefängnis?
(Moving out of Town, or how do you build a prison?)
2009, Videos: 11 mins; 27 mins; 17 mins
In 2009, work started on the construction of a new large-scale prison at Grossbeeren, twenty kilometres south of central Berlin, on the edge of the city. In her video installation, Judith Siegmund investigates the background to the building of Heidering Prison. By carefully exploring and reflecting on the building site, the artist slowly uncovers the true nature of the project, and raises questions about the building of the prison. The video performance begins in an informative, journalistic style, but as it unfolds the artist abandons her position as reporter and assumes the roles of different people who live and work in the prison. Two documentary videos accompany the work, which show images of the site and its history, and include two interviews that deal with the origin of Heidering Prison.
Katharina Heilein mit Inhaftierten der JVA Moabit
in Zusammenarbeit mit Brigitte Krämer und Gabriele Nagel
„Mr. X spielt Number 6"— Ein Gemischtes Doppel, 2009
Aus einfachen Pappmaterialien gestaltete Katharina Heilein mit Inhaftierten in einer neuen Teilanstalt der JVA Moabit einen Kinoraum, der nach Entwürfen der Beteiligten umgesetzt wurde. Mit diesem temporären Kino ist ein Ort entstanden, an dem die britische TV-Serie „The Prisoner" aus dem Jahr 1969 genau 40 Jahre nach ihrer Veröffentlichung gezeigt wird. Inhaftierte können sich für die während der Ausstellungszeit wöchentlich stattfindenden Vorführungen anmelden und zusammen mit der Künstlerin und den inhaftierten Co-Autoren die Serie sehen und diskutieren. „The Prisoner" verhandelt Themen, die im heutigen Strafvollzug für die Betroffenen nach wie vor aktuell sind und eine Auseinandersetzung mit Fragen der Identität, Selbstbestimmung und Willensfreiheit öffnen. In der NGBK verweist ein Kinosessel auf den beschriebenen Arbeitsprozess. Hier sind die Gespräche und Kommentare der Inhaftierten zur Serie in einem Audiofeature zu hören. Dazu setzen Fotografien die entstandene Kinoeinrichtung in Zusammenhang mit der Gefängnisarchitektur.
Das Projekt ist eine Außenstelle der Ausstellung und kann freitags in geführten Gruppen nach Anmeldung besucht werden.
Katharina Heilein in collaboration with
Gabriele Nagel, Brigitte Krämer and inmates of Moabit Prison
"Mr. X spielt Number 6" – Ein Gemischtes Doppel ("Mr. X plays Number 6" –
A Mixed Double), 2009
Working with inmates from Moabit Prison, Katharina Heilein designed and fitted out a film screening room in the prison’s new annexe, with participants devising and building the furniture out of cardboard. The British television series The Prisoner from 1969 will be shown in this temporary screening room exactly forty years after it was first broadcast. Inmates can apply to join the weekly screenings that will take place during the course of the exhibition, and watch and discuss the series together with the artist and her collaborators in prison. The Prisoner deals with themes that are still relevant for those in incarceration today, and enables them to engage with questions of identity, self-determination and free will. At the NGBK, a cinema seat offers an example of the work done in the prison. Visitors can also listen to an audio feature containing conversations and commentaries by prisoners about the series. There are also photographs showing the screening room both before and after its transformation.
This project is located in an annexe to the main exhibition and can be visited every Friday by arrangement.
NGBK – JVA Moabit – NGBK
Nadin Reschke
„Platzwahl beschränkt" Freitags 15 – 18 Uhr
Für den Besuch der Außenstelle der Ausstellung in der JVA Moabit gestaltete Nadin Reschke mit Inhaftierten, ehemaligen Inhaftierten und Justizvollzugsangestellten einen Transport, der die beiden Ausstellungsorte inhaltlich verbindet: Ein Gefangenentransporter fährt jeweils freitags um 15 Uhr von der NGBK in die Untersuchungshaftanstalt Moabit. Während der Fahrt zählt eine Stimme die Minuten von 0–11, während andere Stimmen die Zahlen entschlüsseln und damit ein System kommentieren, in dem „jeder zählt": Es beginnt mit der „0", der Inhaftierung als Nullpunkt, dem Herausreißen aus dem Alltag und Ankommen in der Haft. „4" steht für „Sprecher", die vier Besuche, die man monatlich empfangen kann, „5" für die Lebendkontrolle in jeder Zelle, die fünf Mal am Tag stattfindet, und 10 für die „Zehnerpäcken", die zweite Währung im Knast. Das Audioformat ermöglichte den Beteiligten ein anonymes Auftreten und macht deutlich, dass Knast nicht gleich Knast ist, weil jeder seine eigene Realität hat.