Ausstellung der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst Berlin vom 22. August — 27. September 2009
"Knast" – das sind in der öffentlichen Rezeption vornehmlich
"die anderen": ein Phänomen, eine Wirklichkeit, die einen nicht zu betreffen scheint. Die Ausstellung versucht die künstlerische Annäherung an dieses System, das, obwohl zunehmend ins Abseits gedrängt, ein kontinuierlicher, aber wenig wahrge-nommener und hinterfragter Bestandteil gesellschaft-lichen Funktionierens ist. Aus unterschiedlichen Perspektiven werden die Grenzen der Institution Gefängnis befragt, aber auch ihre Durchlässigkeiten, die spezifische Formen des Austauschs und des Diskurses entstehen lassen.Viele der teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler, beweg(t)en sich über längere Zeit direkt im Strafvollzug. Sie agieren als Initiatoren, Vermittler, Moderatoren und Eindringlinge in das hermetische System des Strafvollzugs und schaffen unbesetzte Räume. In den meisten Fällen sind Inhaftierte Co-Autoren der Werke. Andere Positionen beziehen sich beobachtend oder modellhaft auf den Justizvollzug und befragen die spezifischen räumlichen und sinnlichen Bedingungen von Freiheitsentzug.

Platzwahl beschränkt am 28.08.2009

NGBK – JVA Moabit – NGBK
28.08.2009 von 15-18 Uhr


Für den Besuch der Außenstelle der Ausstellung in der JVA Moabit besteht ein Transport, „Platzwahl beschränkt“, der von Nadin Reschke mit Inhaftierten, ehemaligen Inhaftierten und Justizvollugsangestellten gestaltet wurde. Am Freitag fand die erste Fahrt und Besichtigung des in der JVA entstandenen, fortlaufenden Projekts „Mr. X spielt Number 6. Ein gemischtes Doppel“ von Katharina Heilein statt.

Um 15:30 Uhr in der JVA Moabit angekommen folgten wir einer Führung durch den Haupttrakt bis in den Kinoraum, der von Katharina Heilein mit Inhaftierten der JVA Moabit aus Pappe gestaltet und gebaut wurde. Mit diesem temporären Kino ist ein Ort entstanden, in dem die britische TV-Serie „The Prisoner“ aus dem Jahr 1969 genau 40 Jahre nach ihrer Veröffentlichung gezeigt wird.


Inhaftierte können sich für die während der Ausstellungszeit wöchentlich stattfindenden Vorführungen anmelden und zusammen mit der Künstlerin und den inhaftierten Ko-Autoren sehen und diskutieren. Einige Beteiligte des Projekts waren anwesend und stellten das Projekt vor. „The Prisoner“ verhandelt Themen, die im heutigen Strafvollzug für die Betroffenen nach wie vor von erstaunlicher Aktualität sind und durch ihre Relevanz eine Auseinandersetzung mit Fragen der Identität, Selbstbestimmung und Willensfreiheit eröffnen.

Im Anschluss an eine Filmpräsentation gab es die Möglichkeit, Fragen zu stellen und über das Projekt und den Arbeitsprozess ins Gespräch zu kommen. Auf der Rückfahrt bemerkte eine der BesucherInnen "Ich hätte den Inhaftierten gern 1000 Fragen gestellt, habe mich aber nicht getraut aus Angst, den anderen irgendwie zu nahe zu kommen."

Partizipatorische Grenzgänge am 27.08.2009

Diskussionsabend
Künstlerische Ansätze partizipatorischer Praxis sind ebenso unterschiedlich wie das mit ihr verknüpfte Rollenverständnis der Protagonisten. An wen richten sich partizipatorische Projekte? Welchen spezifischen Bedingungen unterliegt ein solcher Prozess im Kontext JVA? Worin liegt die Motivation der KünstlerInnen, ihren altangestammten Platz als KreatorIn in den eines Initiators oder einer Moderatorin zu verwandeln? Und was passiert mit der Freiheit der Kunst im Kontext des Freiheitsentzugs?






mit Ulf Aminde, Katharina Heilein und Per Traasdahl von ArtScourceLab, Moderation: Annika Niemann

Als Einstieg in das Rahmenprogramm machte dieser Abend die differenten Herangehensweisen der eingeladenen Künstler im Kontext Strafvollzug deutlich. Es wurde kontrovers diskutiert, unter anderem die Frage, inwieweit die künstlerische Arbeit im Knast mit Projektionen spielt und umgeht.
Ulf Aminde sagte, dass man sich des Macht- und Beziehungsgefälles klar sein sollte, in das man sich hinein begibt. Er stellte seine eigene Haltung zur Disposition und forderte, dass man als KünstlerIn wach sein sollte, um zu sehen, was man tut, wieso und wie man im Gefüge steht. Aminde gab zu bedenken, dass in der Ausstellung kaum Arbeiten zu sehen sind, die die Schuldfrage stellen und sich mit dem "Warum" und dem Umgang damit auseinandersetzen. Ihn persönlich würde das am meisten interessieren, wenn er mit Inhaftierten zusammenarbeiten würde.


Katharina Heilein, die in der JVA Moabit eine Auftragsarbeit für die Ausstellung mit 6 Inhaftierten realisierte, entgegnete, das die Schuldfrage nicht ihr Ansatzpunkt sei. Ihrer Erfahrung nach produziere gerade das Gefängnis als spezifischer Arbeitskontext diese Wachheit. In ihrem Projekt wurde sie mit ihrem Anliegen immer wieder so in Frage gestellt, musste Dinge zulassen, und hatte zum Teil das Gefühl die persönliche Kontrolle zu verlieren. Gerade das schärft ihrer Meinung nach eine Sensibilität, zu beobachten, in welcher Weise Kontrolle von allen Beteiligten übernommen wird.

Im Publikum wurden Meinungen deutlich, die das Gefängnis als einen konstruierten blinden Fleck beschrieben. Diesen sichtbar bleiben zu lassen durch künstlerische Arbeiten sei eine wichtige Sache.
Eine Sozialpädagogin, die seit Jahren künstlerische Projekte in der JVA Moabit fördert, beschrieb die Abeit zwischen Künstlern und Inhaftierten als eine Insel, die geschaffen würde im Knast. Sie sagte, dieses Miteinandersein und -arbeiten setze sehr viel frei und es enstehe ein Nachdenken in den Projekten, eine Chance für die Beteiligten, anders über sich nachzudenken.









































































Eröffnung, am 21. August, 21 Uhr: Screening im Hof
GittaSpitta: „sommagewitta“
Hip Hop aus der Jugendstrafanstalt Berlin
GittaSpitta sind Duman, Gigoflow, Voodoo, IronIQ und G-Sun produziert von GittaSpitta-Produzenten DJ Kronstädta http://www.myspace.com/gittaspitta

Wannes Goetschalckx Performance / RAD, 2009

Wannes Goetschalckx baut Objekte, die ihm als eine Art ernsthafte Spielplätze dienen. In seinen Performances und den dafür entwickelten Objekten geht es um das Testen und Befragen der Grenzen des eigenen Körpers, dessen Ausmaße und physischen Fähigkeiten, der Belastbarkeit des Materials, des Objektes und des ihn umgebenden Raums. Es ist ein Befragen der Gegebenheiten und der eigenen Positionierung ihnen gegenüber. Innerhalb der Ausstellung ist die Arbeit RAD zu sehen: Ein Laufrad, das als solches dient. Kleine Einstiegslöcher ermöglichen den Zugang in die runde Form, die sich durch die Verlagerung des Körpergewichts in Bewegung setzt. Die Idee von Fortschritt, Richtung oder Distanz wird ad absurdum geführt, da das Rad auf Rollen gelagert ist. Es ist eine endlose Bewegung, die nirgendwohin führt.



Die Begrüßung zur Eröffnung sprach Leonie Baumann/ NGBK Berlin. Danach führten Nadin Reschke und Annika Niemann in die Ausstellung ein.











Eröffnung der Ausstellung am 21. August 2009 um 19 Uhr